
Das Herbolzheimer Modell
Das „Herbolzheimer Modell“
BADISCHE ZEITUNG 27. August 2016 / www.badische-zeitung.de
Die Straße, die zu den Häusern führt, ist löchrig, die Lage zwischen Bahngleisen, den Hallen einer ehemaligen Stahlbaufirma und brachliegenden Grundstücken nicht gerade die beste. Die Fläche um die Häuser sind noch unbegrünt, noch lagert hier viel Bauschutt. Aber es ist nicht diese Situation, die das „Herbolzheimer Modell“ ausmacht.
Dieses Modell, das mittlerweile an 16 verschiedenen Standorten zwischen Weil am Rhein und Heidelberg nachgeahmt wird, besteht vielmehr aus zwei Bausteinen: Hier wird Flüchtlingen kein Provisorium als Unterkunft angeboten, sondern feste Häuser: Trotz eines Quadratmeterpreises von 1800 Euro wurden keine Abstriche an der Bauqualität gemacht und alles ging fix – acht Monate dauerte es von der Baugenehmigung bis zum ersten Einzug. Zum zweiten belastet deren Finanzierung nicht die Gemeindekasse, weil der Landkreis Emmendingen die Wohnungen für die Flüchtlingsunterbringung anmietet, und zwar so lange, bis die Neubauten abbezahlt sind – 20 Jahre lang.
Das sind so viele Vorteile auf einmal, dass dieses Herbolzheimer Modell auf größtes Interesse unter Kommunalpolitikern stieß: Bürgermeister Ernst Schilling hatte deswegen viel Besuch im vergangenen Jahr. Auch der Landkreis ist zufrieden, verfügt er auf diese Weise doch über dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten und muss nicht auf Turnhallen oder Ähnliches ausweichen.
„Das war unsere beste Entscheidung.“ Auch nach einem Jahr ist Schilling von dieser Idee überzeugt, frühzeitig neue Wohnhäuser zu bauen, um Flüchtlinge unterzubringen. Sie in Hallen einzuquartieren oder Wohncontainer zu kaufen, wie es andernorts gemacht wurde – davon hat der Herbolzheimer Bürgermeister schon zur Hochzeit der Fluchtbewegung nichts gehalten, weil es seiner Ansicht nach in der Bevölkerung negativ wahrgenommen würde.
Inzwischen hat Herbolzheim drei Wohnhäuser errichten lassen, in denen 120 Menschen wohnen. Die Grundrisse sind heute auf kleine Wohneinheiten für Flüchtlinge zugeschnitten. Allerdings so, dass sich die Wohnungen leicht zu Sozialwohnungen mit anderem Zuschnitt umorganisieren lasssen – also für ein Wohnangebot, für das in vielen Orten längs der Rheintalschiene ebenfalls große Nachrfrag besteht. Allein im Landkreis Emmendingen sind inzwischen elf derartige Projekte nach dem Herbolzheimer Modell fertig oder in Bau – mit Platz für 561 Flüchtlinge.
„Ja, wir schaffen das“, sagt CDU-Mitglied Schilling, Merkel zitierend – fügt aber sofort hinzu: „Aber die Rahmenbedingungen müssen stimmen.“ Dazu gehört eben der Vertrag mit dem Landkreis, ein Bauunternehmen, das rasch und preiswert abietet. Im direkten Umfeld der Häuser, verspricht Schilling, werde auch etwas getan, unter anderem ein kleiner Bolzplatz freigehalten. Das Deutsche Rote Kreuz für die Sozialbetreuung, das Landratsamt für die Rechtsverfahren, der Dolmetscher für Persisch und Arabisch – sie alle sind in einem der drei Häuser untergebracht, und arabische Schriftzüge verkünden ihre Sprechzeiten.
Die Integration laufe gut, sagt Schilling, dank des Flüchtlingsarbeitskreises und der örtlichen Vereine, und immer mehr Arbeitgeber bieten Arbeitsplätze an – auch wenn da noch einiges mehr nötig sei, wie der Bürgermeister meint, der in seiner ganzen Stadt heute 260 Flüchtlinge untergebracht hat. Und es müsse bei den drei Häusern nicht bleiben: Vielleicht werde noch ein viertes danebengestellt.